Lebensräume bewahren – Biodiversität sichern.

Ein Beitrag von Markus Kantioler, Südtirol

Einordnung

In einer Zeit, in der Natur- und Kulturlandschaften von verschiedenen Interessensgruppen immer stärker als Wohn-, Wirtschafts- und Erholungsraum genutzt werden, stehen unsere heimischen Wildtiere unter zunehmendem Druck.

Wir Menschen dringen dabei immer öfter – bewusst oder unbewusst – zu allen möglichen Jahres-, Tages- und Nachtzeiten immer tiefer in die Lebensräume von Reh, Gams, Birkhuhn und vielen anderen Arten vor.

Was für den Menschen Erholung oder Verdienst bedeutet, kann für Wildtiere Stress, Fluchtverhalten und langfristig sogar Lebensraumverlust bedeuten.

Dieser Trend ist aktuell vielerorts in Mitteleuropa feststellbar. Auch wenn in weiten Gebieten noch viele günstige Voraussetzungen aufgrund einer naturnahen Kulturlandschaft bestehen, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir Menschen gefordert sind, zeitnah und vorausschauend Maßnahmen zu treffen, um dem Lebensraum- und Artenschwund entgegenzuwirken.

Dynamik und Verantwortung

Natur und Landschaft sind einem ständigen Wandel unterworfen – mit, aber auch ohne uns Menschen.

Während wir natürliche Phänomene kaum beeinflussen können, haben wir bei den von uns verursachten Veränderungen „die Hand am Hebel“.

Diese Veränderungen erfolgen häufig sehr schnell – zu schnell für viele Arten, um sich anpassen zu können. Hier sind wir Menschen gefordert, diesen Arten unter die Arme zu greifen.

Dabei ist wichtig zu verstehen, dass es bei jeder Maßnahme – so sorgfältig sie auch geplant sein mag – „Gewinner“ und „Verlierer“ geben wird: Arten, die vom Eingriff profitieren, und andere, für die das Gegenteil zutrifft.
Das darf uns jedoch nicht davon abhalten, aktiv zu werden. Vielmehr sollte es uns motivieren, genau zu überlegen, was, wann, wie und wo wir handeln.

Warum Erhaltungsmaßnahmen auch in „guten Gebieten“ wichtig sind

Der Alpenraum ist ein Hotspot der Biodiversität – hier treffen verschiedene Klimazonen, Höhenstufen und Landschaftstypen aufeinander.

Der Mensch ist Teil dieser Natur und hat über Jahrhunderte eine naturnahe Kulturlandschaft geschaffen. Diese Vielfalt bietet Lebensräume für zahlreiche spezialisierte Arten, darunter viele seltene und gefährdete.

Doch gerade diese empfindlichen Ökosysteme sind besonders anfällig:

  • Steile Hänge und begrenzte Flächen machen Rückzugsräume knapp.
  • Der Klimawandel verändert alpine Lebensräume schneller und drastischer als in Tieflagen.
  • Tourismus und Freizeitdruck nehmen zu – selbst in bisher abgelegenen Bereichen.
  • Traditionelle Nutzungsformen wie Almwirtschaft oder extensive Weidehaltung gehen zurück.
  • Schon geringe Störungen können große Auswirkungen haben.

Gerade weil der Alpenraum noch viele seltene Arten und intakte Lebensräume beherbergt, ist es entscheidend, diese Vielfalt zu erhalten – auch als „Quellfunktion“ für die Randbereiche.

Die Verantwortung der Jägerschaft

Jagd basiert auf der nachhaltigen Nutzung natürlicher Wildbestände. Ein Jagdrevier ist jedoch weit mehr als nur ein Ort für die Ausübung der Jagd, und Jägersein bedeutet mehr als den gelegentlichen Abschuss.

Auch wenn die Jägerschaft nur einen Bruchteil der Naturnutzer darstellt, ist sie jene Interessengruppe, die sich wohl am intensivsten mit den Belangen heimischer Wildtiere befasst.

Jägerinnen und Jäger wissen über das Wild Bescheid und tragen eine besondere Verantwortung für den Erhalt der Artenvielfalt und die Pflege der Lebensräume.

Dieses Verantwortungsbewusstsein ist auch mit einem Eigeninteresse verbunden – und das ist keineswegs negativ. Im Gegenteil: Wer mit dem Erhalt jagdbarer und nicht jagdbarer Arten und deren Lebensräume viele andere Arten „mitzieht“, leistet einen wertvollen Beitrag zum Naturschutz.

Lebensraummaßnahmen der Südtiroler Jägerschaft

Verlust und Verschlechterung des Lebensraumes sind Hauptursachen für den Rückgang vieler Tier- und Pflanzenarten. Betroffen sind vor allem sensible Wildarten. Seit vielen Jahren setzen die Südtiroler Jägerinnen und Jäger Maßnahmen zur Erhaltung der Wildlebensräume um und leisten damit einen wichtigen Beitrag zum langfristigen Schutz zahlreicher Arten.

Was einst als Einzelaktionen begann, erfolgt seit 2016 in vielen Landesteilen als Ergebnis einer bereichsübergreifenden Zusammenarbeit zwischen der Landesverwaltung (Naturschutzbehörde und Forstbehörde), den Gru

ndeigentümern und den lokalen Jagdrevieren als umsetzenden Akteuren.

Bis 2024 wurden südtirolweit 95 Projekte umgesetzt, mit 26.300 ehrenamtlichen Arbeitsstunden und der Pflege von rund 245 Hektar Lebensräumen. Dafür erhielten die Jagdreviere rund 280.000 Euro Fördermittel.

Die behördliche Beratung gewährleistet, dass die geplanten Maßnahmen mit den Zielen von Forst und Naturschutz übereinstimmen. Nach der Einreichung, Bewilligung und Umsetzung erfolgt eine fachliche Abnahme und Auszahlung der Fördermittel. Darüber hinaus werden vielerorts eigenständige Projekte zur Lebensraumverbesserung auf Eigeninitiative der Reviere durchgeführt.

Fazit

Für erfolgreiche Lebensraummaßnahmen ist eine fortlaufende, gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten entscheidend. Jagd, Forst und Naturschutz haben viele gemeinsame Interessen und Verantwortungen.

Damit Maßnahmen langfristig wirken, muss der Kreis der Mitwirkenden erweitert werden – etwa um Freizeitnutzer oder Tourismusbetriebe.

Hier besteht noch großes Potenzial, doch der eingeschlagene Weg zeigt bereits viele positive Ergebnisse. Ein Jagdrevier ist ein wichtiger Partner im Erhalt der Biodiversität.

Gerade in Zeiten zunehmender Freizeit- und Naturnutzung braucht es engagierte Jägerinnen und Jäger, die mit Weitblick und Verantwortung handeln.

Mitglieder des Jagdreviers Klausen beim Durchführen einer Lebensraum verbessernden Erhaltungsmaßnahme

Wer ein Jagdrevier nachhaltig führt, beweist Verantwortungsbewusstsein und leistet damit einen aktiven Beitrag für Wildtiere und deren Lebensräume.

Langfristig können nur gemeinsam abgestimmte Maßnahmen im Rahmen eines funktionierenden Netzwerkes aus Jagd, Forst, Landwirtschaft, Naturschutz, Tourismus und Gesellschaft wirksam zum Erhalt unserer Artenvielfalt beitragen.

Markus Kantioler

Markus Kantioler, geboren 1978, lebt in Klausen (Südtirol). Seit dem Jahr 2000 ist er beim Amt für Natur der Autonomen Provinz Bozen tätig und arbeitet derzeit als Zonentechniker im Naturpark Rieserferner-Ahrn. Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem Natura-2000-Projekte, Beratungstätigkeiten und das Schutzgebietsmanagement. Ebenfalls seit dem Jahr 2000 ist er Mitglied im Jagdrevier Klausen und engagiert sich dort aktiv im Vereinsvorstand.

Das Jagdrevier Klausen hat 2025 die „Goldene Auerhenne“ erhalten, eine Auszeichnung des Raiffaisenverbandes in Kooperation mit dem Südtiroler Jagdverband, für seine Verdienste im Naturschutz und im Rahmen des Wildschutzes. Die Jäger des Reviers wurden für ihre über 1.000 ehrenamtlichen Stunden im Jahr 2024 gewürdigt, die sie für Kitzrettung, Lebensraumverbesserung und Wildmonitoring geleistet haben.